Adoption: Wer bin ich?

20.12.2019

Adoption ist für viele Paare die letzte Möglichkeit, sich den Traum vom Wunschkind doch noch zu erfüllen. Doch was bedeutet Adoption für die adoptierten Kinder und die Adoptiveltern?

Ein Kind zu adoptieren ist ein langer Prozess. Psychologische Beratung kann vor, während und nach dem Adoptionsprozess eine besonders hilfreiche Unterstützung sein. Vor allem dann, wenn Unsicherheiten, Sorgen oder partnerschaftliche Konflikte während dieser Zeit auftreten. In der psychologischen Beratung können Sie all das thematisieren, was Sie rund um Ihren Kinderwunsch bewegt. Denn neben der große Freude auf das Baby kommt beim Thema Adoption auf die werdenden Eltern auch eine spezielle Verantwortung zu. Ob ein Paar dieser Verantwortung gewachsen ist und ob beide als Adoptiveltern geeignet sind, entscheidet in Wien das Referat für Adoptiv- und Pflegekinder, das sich auch um den Verbleib von Pflegekindern, die Vermittlung von Adoptivkindern und die Ausbildung von Pflegeeltern kümmert. Martina Reichl-Roßbacher, die das Referat seit 2003 leitet, weiß, worauf Paare achten müssen, wenn sie überlegen, zu adoptieren.

Was bedeutet es, für ein Kind, adoptiert zu sein?Adoptierte Kinder beschäftigt ihre Herkunft immer wieder. Es hängt dann von der Offenheit der Adoptiveltern ab, ob die Kinder mit ihnen häufig darüber sprechen. Herkunft ist für Adoptiv- wie auch Pflegekinder aber immer ein essentielles Thema. Gerade anonym geborene Kinder leiden sehr unter der Unwissenheit, woher sie kommen, da sie viele Phantasien entwickeln, die belastend sein können.

Welche Möglichkeiten gibt es denn für in Österreich adoptierte Kinder, die ihre leiblichen Eltern kennen lernen möchten? Das hängt davon ab. Es gibt in Österreich die offene Adoption und die inkognito Adoption, bei der die Adoptiveltern über die Geburtsurkunde nur den Namen der leiblichen Mutter kennen. Die leibliche Mutter hat bei einer inkognito Adoption nur die Möglichkeit über unser Referat später doch ihr Kind zu kontaktieren, hat aber keinen Anspruch darauf, dass die Adoptiveltern bzw. das Kind dem letztlich zustimmen.

Zu welcher Form der Adoption raten Sie? Wir raten immer zur offenen Adoption, da Kinder einfach die Möglichkeit haben sollen, ihre Wurzeln zu kennen. Selbstverständlich verlangt eine offene Adoption, die normalerweise auch das Kennenlernen der leiblichen Mutter beinhaltet, den Erwachsenen emotional sehr viel ab.

Was ist, wenn angehende Adoptiveltern darauf bestehen, inkognito zu adoptieren? Jemand der uns sagt, eine offene Adoption kommt gar nicht für ihn in Frage, schafft es bei uns gar nicht in die engere Auswahl. Wir erleben auch - Gott sei Dank nicht oft - dass uns Adoptiveltern am Anfang sehr offen entgegen kommen was das Kennenlernen der leiblichen Mutter angeht. Wenn es dann aber plötzlich soweit ist, dass eine leibliche Mutter trotz inkognito ihr Kind kennen lernen will, lehnen die Adoptiveltern auf einmal ab und fühlen sich gar vom Amt bedroht.

Wie kommt es zu so einem Sinneswandel? In manchen Fällen versäumen die Adoptiveltern, dass sie ihr Kind von Anfang an aufklären. Das ist ein bisschen wie bei der Sexualaufklärung. Man sagt: "Wenn das Kind fragt, gebe ich Antworten". Wenn es aber nie fragt, wird der Zeitpunkt, es dem Kind zu erklären, immer schwieriger zu finden. Vor allem dann, wenn man die Adoption nicht von Anfang an offen in das Familienleben integriert hat.

Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt, einem Kind zu sagen, dass es adoptiert ist? Der ist von Anfang an. Ich sage immer, man soll es den Kindern schon beim Wickeln sagen. Nicht, weil sie es da schon verstehen, sondern um für sich selbst zu lernen, die richtigen Worte zu finden. Es gibt auch wunderschöne Kinderbücher zu diesem Thema. Die Verantwortung der Erwachsenen ist, von Anfang an offen darüber zu reden. Sonst wird es immer schwieriger, da die Familie ja zusammenwächst und die Adoption somit mit der Zeit auch aus dem Bewusstsein der Eltern verschwindet.

Welche Voraussetzungen sollten Paare, die adoptieren wollen, mitbringen?Hierzu ist zu sagen, dass sich die leiblichen Eltern Voraussetzungen wünschen dürfen. Die meisten sagen, sie wünschen sich ein ganz normales Paar, verheiratet, gut situiert und ausgebildet, und dass die Adoptiveltern das Kind gern haben und es im besten Fall Exklusivität genießt. Neben den Grundvoraussetzungen für eine Adoption ist es aber vor allem wichtig, dass die Paare ihre Kinderlosigkeit und den Grund dafür gut bearbeitet haben. Sonst sind sie nicht frei, ein Kind anderer Herkunft anzunehmen. Und sie müssen sich im Klaren sein, dass sie mit einem Kind konfrontiert sind, dass aus einer anderen Familie kommt, andere Gene hat.

Nach all der langen Vorbereitung kann es sein, dass Paare innerhalb kürzester Zeit plötzlich Eltern werden. Ist das nicht sehr schwierig? Das stimmt, in der Regel komme die Kinder spätestens am vierten Tag der Geburt zu den Adoptiveltern. Das heißt, Anwärter könnten heute noch kinderlos und übermorgen bereits Eltern sein. Es ist dann natürlich wichtig, dass bereits im Vorfeld geklärt ist, wer zuhause bleiben kann. Aber selbstverständlich ist es zu Beginn immer auch eine Überforderung. Nur eines darf man dabei nicht außer Acht lassen: Egal ob man selbst ein Kind zu Welt bringt oder Adoptivmutter wird - Ein Kind anzunehmen und Mutter zu sein, das müssen beide immer erst lernen.

Sie denken über eine Adoption nach, doch es beschäftigen Sie eine Vielzahl emotionaler Fragen rund um dieses Thema? Sie befinden sich mitten im Adoptionsprozess und benötigen Unterstützung in dieser psychisch sehr fordernden Zeit? Sie sind bereits Vater oder Mutter eines Adoptivkindes und möchten Lösungen für schwierige Prozesse ihm Familienalltag finden? Sie wurden selbst adoptiert und möchten sich mit Ihrer Herkunftsgeschichte emotional bewusst auseinandersetzen? Ich begleite und unterstütze Sie gerne im Zuge der psychologischen Beratung.

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